Die am 3. Oktober 2017 lancierte Volksinitiative «Ja zum Tier- und Menschenversuchsverbot – Ja zu Forschungswegen mit Impulsen für Sicherheit und Fortschritt» wurde am 18. März 2019 mit 123’640 gültigen Unterschriften eingereicht und hat damit die Hürde von 100’000 nötigen Unterschriften geschafft.
Die Initiative fordert die Änderung bzw. Aufhebung verschiedener Bestimmungen der Artikel 80 (Tierschutz) und 118b (Forschung am Menschen) der Bundesverfassung. Die Initiative fordert insbesondere Folgendes:
Tier- und Menschenversuche werden verboten (Art. 80 Abs. 3). Tests sind nur zulässig, wenn sie im umfassenden und überwiegenden Interesse der Betroffenen (Tiere wie Menschen) liegen (Art. 80 Abs. 3 Bst. a).
Einfuhr und Ausfuhr von Produkten werden verboten, wenn für sie weiterhin Tierversuche direkt oder indirekt durchgeführt werden. Vom Verbot ausgenommen sind bestehende Produkte, wenn für sie keinerlei Tierversuche mehr durchgeführt werden (Art. 80 Abs. 3 Bst. b).
Tierversuchsfreie Ersatzansätze sollen mindestens dieselbe staatliche Unterstützung erhalten wie vormals die Tierversuche (Art. 80 Abs. 3 Bst. d).
Bundesrat beantragt Ablehnung
Am 26. Juni 2019 sprach sich der Bundesrat in einer Medienmitteilung gegen die Initiative aus. Er sei der Ansicht, «dass Mensch und Tier in der Forschung ausreichend geschützt sind». Der Bundesrat empfahl dem Parlament die Initiative ohne direkten oder indirekten Gegenvorschlag zur Ablehnung.
Er versicherte zudem, der Bund tue bereits genug, um Alternativen zu Tierversuchen zu fördern: «Letztes Jahr wurde gemeinsam mit den Hochschulen und der pharmazeutischen Industrie ein Kompetenzzentrum gegründet, das die sogenannten 3R-Prinzipien stärken soll. Diese haben zum Ziel, Tierversuche zu ersetzen, weniger Tierversuche durchzuführen und die Tiere bei den Versuchen weniger zu belasten (replace, reduce and refine).»
Förderung von Alternativen durch den Bund: Schluss mit der Heuchelei, JA zu einer echten Unterstützung
Tatsache ist: Eine echte Förderung von Ersatzmethoden durch den Bund gibt es nicht. Fast 30 Jahre lang hat der Bundesrat die Stiftung Forschung 3R aufrechterhalten, die nicht viel mehr tat, als Forschende, die eine Laufbahn ohne Tierversuche anstrebten, abzuschrecken. Erst als die Kritik an der Stiftung immer lauter wurde, konnte sich der Bundesrat 2018 dazu durchringen, diese aufzulösen und noch im gleichen Jahr das besagte Kompetenzzentrum 3R zu gründen. Doch dieses schlug exakt die gleiche Richtung ein wie die einstige Stiftung Forschung 3R. Das Zentrum wird von Forschenden in Beschlag genommen, die Tierversuche befürworten oder denen es am nötigen Mut oder ethischen Bewusstsein fehlt, um sich dagegen zu stellen, und glänzt so vor allem mit Laschheit und Untätigkeit. Sein erster Bericht zur Ausschreibung für die Förderung von Projekten ist aufschlussreich: Von den 54 eingereichten Projekten wurden ganze sechs ausgewählt und mit insgesamt 1,2 Millionen Franken gefördert. Im gleichen Zeitraum investierte die öffentliche Hand 80 Millionen Franken allein in den Unterhalt und den Betrieb von Versuchstierhaltungen.
Und unter den sechs ausgewählten Projekten finden sich auch noch ein paar besonders konsternierende Beispiele. Etwa jenes von Philippe Bugnon von der Universität Zürich, der eine Software entwickeln möchte, mit der die Zuchtstrategie für Versuchstiere optimiert werden kann, um die Zahl überschüssiger Tiere zu reduzieren. Oder jenes von Petra Seebeck von der Universität Zürich und Stephan Zeiter vom AO Research Institute Davos, die Minimalkriterien für chirurgische Eingriffe bei Nagetieren aufstellen wollen.
Indem die Initiative den Bund und die Kantone verpflichtet, den Ersatz von Tierversuchen (mit mehreren hundert Millionen Franken pro Jahr) zu fördern, trägt sie zur Entwicklung neuer, ethischer und wirksamer Forschungsmethoden und damit zu einer echten Innovation im Gesundheitsbereich bei.
Problematische Punkte können geregelt werden
Die Initiative enthält mehrere Bestimmungen, die während der Abstimmungskampagne einem Grossteil der Bevölkerung Angst machen könnten. Wie etwa die Tatsache, dass neue Medikamente, die heute noch weitgehend an Tieren getestet werden, nicht mehr eingeführt werden dürfen. Oder dass gewisse Studien am Menschen blockiert werden.
Wie der Bundesrat in seiner Botschaft ans Parlament vom 13. Dezember 2019 feststellt, können einige Punkte des Initiativtextes für Verwirrung sorgen. So soll mit Art. 80 Abs. 3 der Bundesverfassung (BV) ein striktes Verbot von Tier- und Menschenversuchen eingeführt werden. Gleichzeitig lässt Buchstabe a desselben Absatzes aber gewisse Ausnahmen zu. Zudem erlaubt Artikel 118b BV solche Versuche weiterhin unter weniger restriktiven Bedingungen als Art. 80 BV. Schliesslich ist der Begriff «Menschenversuch» durch kein Gesetz definiert. Der Begriff «Tierversuch» ist hingegen im Tierschutzgesetz definiert und könnte vom Parlament angepasst werden.
Bei einer Annahme der Initiative wäre es am Parlament, ein Ausführungsgesetz zu erlassen, so dass durchaus die Möglichkeit zur Anpassung der problematischen Punkte besteht – sei es bezüglich der internationalen Freihandelsabkommen (Importverbot für bestimmte Produkte) oder der Fortführung von klinischen Studien. Der Grundsatz der Initiative als solcher ist aber zu unterstützen: die Notwendigkeit, den Weg zu einer ethischen, aussagekräftigen und sicheren Forschung im Dienste der Gesundheit zu beschreiten.
JA zum Verbot von Tierversuchen
Wie bereits erwähnt müssen wir auf das Hauptziel der Initiative, nämlich das Verbot von Tierversuchen, hinarbeiten. In dieser Hinsicht gibt es nichts zu überlegen. Die LSCV ist voll und ganz für die Abschaffung aller Tierversuche. Es gibt genug Beispiele dafür, dass Forschung an Tieren nicht nur grausam ist, sondern auch Innovation ausbremst. Im Bereich der Toxikologie etwa können Tiermodelle in einem von zwei Fällen die Toxizität eines neuen Moleküls für den Menschen nicht vorhersagen. In der angewandten Forschung erweisen sich neun von zehn Medikamenten, die im Tierversuch entwickelt wurden, in den Tests am Menschen als ungeeignet. In der Grundlagenforschung lässt sich das Mass der Verschwendung von Leben und Geld gar nicht abschätzen. Wie viele unnütze Tierversuche werden durchgeführt? Wie viele vielversprechende Moleküle wurden nicht weiter erforscht, weil sie im Tierversuch nicht überzeugten?