Die neuesten vom Bundesamt für Veterinärwesen (BVET) veröffentlichten Statistiken zu den Strafverfahren sind recht aufschlussreich. Nachdem sich das Volk am 7. März 2010 vehement gegen die Einführung eines Tierschutzanwalts ausgesprochen hatte, wurde behauptet, die Tiere seien mit dem neuen Recht auf Bundesebene ausreichend geschützt. Begründet wurde dies damit, die Kantone seien verpflichtet, gegen alle festgestellten Misshandlungen strafrechtlich vorzugehen.
Wie die Statistiken zeigen, hat sich aber nicht viel geändert und zwischen den Kantonen bestehen immer noch grosse Unterschiede.
Die Kantone Zürich, Bern, St. Gallen und Aargau leiten am häufigsten Strafverfahren ein, auch wenn die meisten davon Hundebesitzer betreffen. Die Nutztierbetriebe, bei denen im Allgemeinen die schwerwiegendsten Verstösse festgestellt werden, scheinen von gewissen Kantonen ziemlich oder besser gesagt völlig verschont zu bleiben.
Am anderen Ende der Statistiken sind Kantone wie Wallis, Basel-Stadt, Jura oder Genf zu finden, in denen praktisch keine Verfahren vorliegen.
Genf, Wallis, Glarus und Obwalden hinken hinterher
Der Kanton Genf macht nicht nur wegen seiner fehlenden Aktivität auf sich aufmerksam. Von 18 eröffneten Verfahren wurden zehn ad acta gelegt. In zwei Verfahren kam es zu einem Freispruch. In diesem Kanton lagen schliesslich sechs Urteile vor. In Bern waren es deren 212, in Zürich 134 und im Aargau 110. Noch schlimmer als Genf sind die Kantone Uri und Schaffhausen mit je vier, das Wallis mit drei und Glarus sowie Obwalden mit je einem Urteil.
Strafverfahren im Wallis
In seiner Ausgabe vom 7. März 2011 berichtete „Le Nouvelliste“ über den surrealistischen Schlagabtausch, den sich der Walliser Kantonsveterinär Jérôme Barras an der Generalversammlung des Schweizerischen Eringerviehzuchtverbandes mit dessen Züchtern leistete.
„In regelmässigen Abständen wird mit dem Finger auf das Wallis gezeigt, weil dieses bezüglich der Anzahl jährlicher Verzeigungen stets das Schlusslicht bildet. Diesbezüglich möchte ich meinen Gesprächspartnern mitteilen, dass wir nur sehr wenige kritische Situationen haben. Aber nun einmal ernst: 50 bis 70 Züchter schaden dem Image Ihres Berufes. Bevor ich mein Mandat in fünf Jahren niederlege, möchte ich all diese Fälle ausrotten“, erklärte der Kantonsveterinär. „Ich bin nicht damit einverstanden, der Blitzableiter zu sein, über den sich aller Druck entlädt.“ „Oh, der Arme“, hörte man im Saal daraufhin antworten.
„Mit den auferlegten Regeln bin ich nicht immer einverstanden. Ich bin aber gesetzlich dazu verpflichtet, Verstösse dem Staatsanwalt zu melden“, fuhr der Kantonsveterinär fort. An der Wand waren die Resultate der letzten Stierhaltungskontrollen aufgehängt. Bei vier von 161 Kontrollen waren Tiere ohne Artgenossen eingepfercht, was laut dem neuen Gesetz verboten ist. Neun wurden ohne Auslaufgehege gehalten. „Der gleiche Fall gelangte auch in Zürich vor Gericht. Der entsprechende Besitzer wurde wegen grausamer Behandlung von Tieren verurteilt.“ Daraufhin war im Saal zu vernehmen: „Wo ist er denn, dieser Richter?“
Welche Kontrollen im Wallis?
Obwohl nur alle zehn Jahre einmal eine Betriebskontrolle stattfindet und die Walliser Züchter von der kantonalen Behörde verschont bleiben, basteln sie an den offiziellen Dokumenten herum. Bezüglich der Pflicht, dem Vieh in den fünf Wintermonaten mindestens während dreissig Tagen Auslauf zu gewähren, was die Züchter in einem Heft notieren müssen, erklärte der Kantonsveterinär noch: „Wir alle wissen, dass diese Auslaufhefte Lügenhefte sind. Das möchte ich nicht mehr länger decken.“ Uff…
Einige Monate zuvor hatte eine Journalistin des „Nouvelliste“ einen Angestellten des kantonalen Veterinäramtes begleitet. Dabei enthüllte dieser zumindest überraschende Kontrollmethoden. Bei der Besichtigung eines Pferdebetriebes, der als problematisch bekannt war, stellte der Angestellte ein Problem im Zusammenhang mit dem Unterstand der Tiere fest. Er machte aber weder Bemerkungen, noch erteilte er dem Besitzer Anweisungen. „Das nützt nichts. Er wird schriftlich informiert werden. Wir möchten die guten Beziehungen zu den Leuten aufrecht erhalten, weil wir erreichen müssen, dass sich die Mentalitäten langfristig ändern“, lautete die Begründung für sein Verhalten.
Seine guten Beziehungen zu den Züchtern hält das kantonale Veterinäramt auch aufrecht, indem es diese beauftragt, an seiner Stelle Kontrollen vorzunehmen. „Ein solches System hat den Vorteil, dass es sich um Leute handelt, welche diese Kreise kennen“, stellte der Kantonsveterinär fest. In der Tat… Danach befragt, ob denn bei der Kontrolle von Gleichgesinnten kein Interessenkonflikt bestehe, antwortete Jérôme Barras: „Die Experten arbeiten nie in einem Bezirk in der Nähe ihres Betriebes und müssen als erstes eine Checkliste ausfüllen, welche für die ganze Schweiz erstellt wurde.“ Da sind wir aber beruhigt…