Tierversuchsstatistik 2017: Die Anzahl der eingesetzten Versuchstiere sei gesunken, sagt das BLV und meint damit: Alles in Ordnung, bitte weiterschlafen!

Wie jedes Jahr hat das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen BLV kürzlich seine Statistik zu den Tierversuchen in der Schweiz veröffentlicht. Und wie jedes Jahr setzt das BLV mit grossem Geschick zum Täuschungsmanöver an. Das ist nicht so schwer. Die Statistik ist umfangreich und die meisten Journalisten haben keine Zeit, die Zahlen genauer zu untersuchen. Deshalb verfasst das BLV auch eine Pressemitteilung, welche die Medien direkt kopieren und verbreiten können.

«Anzahl der eingesetzten Versuchstiere gesunken», titelt das BLV in seiner Mitteilung vom 29. Juni 2018 und verkündet: «Gegenüber dem Jahr 2008, als das neue Tierschutzgesetz in Kraft getreten war, ist die Zahl der verwendeten Tiere um mehr als 100’000 gesunken.»

So erfahren wir also bereits im Titel, dass 2017 weniger Tiere in Versuchslabors eingesetzt worden seien. Rein formal ist das korrekt. 2017 wurden 614’581 Tiere für Versuche verwendet, 2016 waren es 629’773. Bravo, sehr schön. 15’192 Tiere weniger, das ist grossartig. Nur vergisst das BLV darauf hinzuweisen, dass die Versuchsbewilligungen drei Jahre gültig sind und dass deshalb nicht ausgeschlossen werden kann, dass diese rund 15’000 Tiere einfach nächstes Jahr eingesetzt werden.
Was das BLV auch geflissentlich verschweigt, ist, dass die Anzahl der Tiere in Versuchen mit Schweregrad 3 zugenommen hat. Das sind die Versuche mit der schwersten Belastung, die zum Tod der Tiere führen können. 2017 wurden in dieser Kategorie 17’326 Tiere eingesetzt. Das sind 1201 mehr als 2016, 3091 mehr als 2015 und 5041 mehr als 2014. Das bedeutet, dass die Zahl der Tiere, die in unseren Labors den schlimmsten Belastungen und Leiden ausgesetzt sind, seit mehreren Jahren konstant zunimmt.

Danach wird die Medienmitteilung des BLV noch wahnwitziger. Die Meldung, dass «die Zahl der verwendeten Tiere» seit Inkrafttreten des neuen Tierschutzgesetzes im Jahr 2018 «um mehr als 100’000 gesunken» sei, wird mit einer ziemlich minimalistischen Grafik untermauert. Und das vermutlich nicht ohne Absicht.
Vergleicht man nur die 731’883 Versuchstiere des Jahrs 2008 mit der Versuchstierzahl im Jahr 2017, ergibt sich tatsächlich ein Rückgang von rund 100’000 Tieren. Nimmt man sich aber die Zeit, die etwas detailliertere Grafik auf der Website des BLV zu studieren, erkennt man, dass das BLV mit ähnlichem Eifer Täuschungsmanöver produziert wie Forscher überflüssige Publikationen: In den letzten zehn Jahren lässt sich kein konstanter Rückgang feststellen. Verglichen mit den Jahren 2012, 2013 und 2014 gab es 2017 sogar eine Zunahme. Netter Versuch. So oder so hat das neue Tierschutzgesetz im Bereich der Tierversuche keine grosse Verbesserung ergeben. Wie die neuen Bestimmungen die Zahl der Versuchstiere beeinflussen sollten, ist kaum nachvollziehbar. Um die Zahl der Tierversuche zu senken, müssen die Subventionen für solche Studien gekürzt werden. Die Käfiggrösse um drei Zentimeter zu erhöhen, bringt da wenig.

Zum Schluss doziert das BLV, dass die Gesuche der Forschenden «von einer kantonalen Tierversuchskommission geprüft» würden und die Forschenden darlegen müssten, dass die den Tieren zugefügten Leiden «durch überwiegende Interessen zugunsten der Gesellschaft oder der Umwelt gerechtfertigt werden können». Das ist richtig. Das BLV vergisst aber wiederum zu erwähnen, dass die Kommissionen gemäss Art. 34 TSchG lediglich einen Antrag stellen können, um den sich die kantonalen Behörden in der Regel einen Deut scheren, zumal die Kommissionen kein Beschwerderecht haben.

Es wäre schön, wenn das BLV eines Tages den Mut aufbringen würde, die Zahlen zu publizieren, die tatsächlich aufzeigen, was in Schweizer Versuchslabors geschieht.

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Unten: Die minimalistische Grafik, die das BLV mit seiner Medienmitteilung vom 29. Juni 2018 veröffentlicht hat: Sie zeigt für 2017 einen Rückgang von 100’000 Tieren «gegenüber dem Jahr 2008, als das neue Tierschutzgesetz in Kraft getreten» ist.

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Darunter die detailliertere Grafik, die das BLV auf seiner Website veröffentlicht hat: Sie zeigt, dass man Zahlen immer so auslegen kann, wie es einem gerade passt. Zum Beispiel könnte man auch sagen, dass es im Jahr 2003 noch rund 100’000 Versuchstiere weniger gab als im «Jahr 2008, als das neue Tierschutzgesetz in Kraft getreten» ist.